Einmal im Jahr findet das WordCamp Europe statt und dauert zwei Tage. Hier treffen sich die europäischen WordPress Nutzer und Profis mit Kollegen aus den USA. Dieses Jahr war die Veranstaltung in Berlin und die Gelegenheit habe ich mir nicht entgehen lassen. Und um noch tiefer in die Community einzutauchen habe ich die Veranstaltung vorher, den Contributor Day, auch noch besucht. Da mein Sommer recht voll war, berichte ich erst jetzt – mit einem Fokus auf den Contributor Day.

Inhalt

Ankunft

Der Kongress war Ende Juni „Estrel“, einem großen Kongress-Hotel in Berlin Neukölln. Viel Glas und relativ schick – sowas hatte ich in der Gegend nicht vermutet – aber das ist eben Berlin. Gegenüber war ein Schrotthändler und auf der anderen Seite waren Schrebergärten – ehemalige Grenze. Trotzdem gab es rund um den Veranstaltungsort schon vor dem Beginn einige „Warm-Up-Treffen“ zu verschiedenen Themen. Neukölln erinnerte mich noch an das „alte Berlin“ – das noch nicht komplett modernisiert war. Trotzdem mit guter Infrastruktur und Kneipendichte.

Unbezahlbar und dabei kostenlos

WordCamp Europe 2019 – After Movie

WordPress ist ja eine Software die von Freiwilligen lebt, die kostenlos Inhalte beisteuern, das ist bekannt. Aber wer sind diese Leute und wie ist das organisiert? Das lässt sich hier leicht herausfinden, denn dafür gibt es den Contributor Day am Tag vor dem Kongress. Hier wurden auf 610 Stück begrenzte aber kostenlose Tickets „verkauft“ und ich war schnell genug, eines zu ergattern. Für den nächsten Schritt – nämlich der Frage: „Wo möchte ich mich einbringen?“ Gibt es einen simplen Selbsttest. Für mich kamen aus den erhaltenen Empfehlungen die Bereiche „Training“ und „Theme Review“ in die engere Auswahl. Hier die Liste der Teams auf der offiziellen Webseite.

WordPress Training Team

Als ich morgens frühzeitig ankam ging alles recht problemlos. Schnell hatte ich meinen Ausweis mit Namen drauf und war zum ersten mal in den Räumen. Der Contributor Day war ganz am anderen Ende der Kongressfläche auf zwei Stockwerke verteilt. Unten die Programmier- Teams (mit dunklerem Licht, ohne Bühne und Luftballons dafür mit mehr Ruhe) und oben alles andere. Der Raum war voller runder Tische für 6-8 Personen. Je nach erwarteten Teilnehmern waren einer oder mehrere Tische für je ein Team reserviert. Neben einer Übersichtskarte vor dem Raum zur Orientierung waren oben auch noch Schilder an Luftballons befestigt. Für das Training Team gab es zunächst nur einen Tisch – später haben wir uns allerdings noch einen weiteren Tisch dazu geholt um in Ruhe zu arbeiten.

Nachdem sich der Raum und unser Tisch langsam füllte haben wir uns kurz gegenseitig vorgestellt. Durch die Eigenheit des Kongresses waren wir schnell in einer vertrauten Arbeitsatmosphäre und gefühlt beim „Du“. Denn es wurde ohnehin nur Englisch gesprochen und die Wurzeln von WordPress liegen unverkennbar in den USA. Auch die Kleidung war eher leger – ich habe auf dem gesamten Kongress niemanden in Krawatte und Anzug gesehen. Trotzdem gab es einen Team Lead für den Tag – danke für die gute Arbeit an Jesse Owens aus Chicago. Ihn konnten wir mit unseren Fragen löchern.

Ziel des Teams

Das Training Team möchte Schulungsmaterialien zur Verfügung stellen. Jeder kann dort Slides und Trainer-Notizen herunterladen und für ein Seminar einsetzen. Derzeit ist die Seite aber aktuell noch verwaist und besticht mit einem Eintrag aus 2013. Die Training-Gruppe wird deshalb derzeit auch nicht auf der offiziellen WordPress.org – Seite erwähnt. Aber: Daran wird gearbeitet. Es gibt schon eine neue Webseite im Beta-Stadium, die bald online gehen soll. Auch neue Kursen werden entwickelt. Der Kurs „Geschichte von WordPress“ ist ein interner Leitfaden und wird dann wahrscheinlich einer der ersten sein, die online gehen werden.

Arbeitsorganisation

Vor der Veranstaltung wurden wir schon darauf hingewiesen, welche Accounts wir benötigen werden. Dafür gibt es extra eine Team-Onbording-Seite und jedes Team arbeitet etwas anders. Im wesentlichen ist die Struktur so: Meetings finden wöchentlich per Textchat auf #Slack statt. Daten liegen auf GitHub – das war mir bisher als zentraler Speicher für Programmcode an dem dezentral gearbeitet wird, bekannt. Beim Training-Team wird das auch für Anleitungen und Präsentationen benutzt. So ist sicher gestellt, dass niemand die Arbeit des Kollegen zerstört. Dann gibt es noch Trello – hochtrabend kann man es als „Kanban-Board“ bezeichenen. Faktisch kann man hier Aufgaben von einem Status in den nächsten schieben, kommentieren und Personen zuweisen. Ich verwende das selber gerne für meine Kundenprojekte. So kann ich immer transparent berichten wie hoch die angefallenen Aufwände sind oder welche Schritte noch zu erledigen sind. Zu diesem speziellen WordPress-Training-Bord muss man von der Gruppe allerdings erst eingeladen werden. Dann gibt es noch Zenhub – das ist ein bisschen wie Trello, aber man kann von hier direkt auf die Dateien in GitHub zugreifen. Das erspart den Umweg über Trello. Zenhub ist zwar nicht kostenlos, aber WordPress hat dort einen Account, so dass der einzelne keine eigene Lizenz kaufen muss. 

Für uns waren einige Aufgaben vorbereitet worden, um mit den Abläufen klar zu kommen. Kollege Claus hatte sich mit einem Kollegen einen Kurs zu CSS-Basics für Einsteiger ausgesucht. Dieser war nur als rudimentäre Idee angelegt aber es fehlten noch Struktur, Lerneinheiten, Übungen, Folien und die Hinweise für den Dozenten. Nach einer Weile stellen sie fest, dass es zu viel Material für einen einzelnen Kurs ist. Kein Problem – beim nächsten #Slack-Meeting wurde das Thema diskutiert und eine Aufteilung in mehrere Kurse beschlossen.

WordPress Kongress Teilnehmer

Ich hatte um die Abläufe zu lernen mir zunächst eine kleine Aufgabe ausgesucht: Es ging darum den Fehler im Verzeichnispfad einer Kursstruktur zu finden. Dazu musste ich die Aufgabe in Zendesk als meine Aufgabe markieren (lassen) und den entsprechenden Kurs aus Github in mein lokales Verzeichnis laden (auschecken). Nachdem ich den Fehler behoben hatte, konnte ich den Kurs wieder bereitstellen. Dazu werden die Änderungen mit einem „Commit“ von mir bestätigt ein „Pull-Request“ erzeugt um den Code wieder in Github als aktuellen Stand hochzuladen.

Nachdem ich diesen Ablauf einmal durchlaufen hatte, habe ich mich mit einem anderen Kollegen am Kurs mit dem Thema „Google Fonts zu WordPress hinzufügen“ beschäftigt. Zielgruppe: Einsteiger. Aus einer internationalen Sicht mag das in wenigen Stunden erklärt sein. Mit der DSGVO im Nacken wäre es für europäische Nutzer aber meiner Meinung nach fahrlässig nicht auf das dadurch entstehende Datenschutzproblem aufmerksam zu machen. Insofern haben wir unter anderem für den Kurs vorgeschlagen, das Thema mit aufzunehmen und auch auf die Möglichkeit der lokalen Einbindung von Google Fonts hinzuweisen.

Der Einblick in die Arbeitsweise und der Austausch mit den durchwegs netten Kollegen aus USA, Schweiz, Deutschland und Japan im Team haben mir gut gefallen. Auch die Abläufe – die zunächst sehr sperrig wirken – machen Sinn. So professionell, agil und digital arbeiten sonst nur wenige internationale Grosskonzerne. Nur dass es sich hier um eine Freiwilligenorganisation handelt. Auf diese Weise dauert es etwas, bis man sich eingearbeitet hat – aber danach kann man zum Projekt beitragen. Ich selbst habe bisher nur wenig helfen können, mangels Zeit – aber ich will auf jeden Fall den Kontakt halten und in der Zukunft weitere Beiträge leisten.

WordPress Theme Review Team

Gestärkt durch leckeres Fingerfood in der Mittagspause habe ich mir mal das Theme Review Team aus der Nähe angesehen. So ein Wechsel ist für Neueinsteiger auch tatsächlich vorgesehen. Diese Gruppe testet alle von Autoren eingereichten, kostenlosen Themes. Bei Erfolg werden die Themes in das offizielle Verzeichnis eingetragen und sind danach für alle dort und über das WordPress-Backend auffindbar / abrufbar. Ich finde es beruhigend, dass die Themes – wie auch die Plugins – tatsächlich vorher getestet werden.

Im Vorfeld habe ich gelesen, dass es für das Team spezielle Software gibt, um die Themes auf bestimmte Mindestanforderungen zu testen. Mein Ausflug war aber nur von kurzer Dauer, da ich mit den Leuten und den Aufgaben in „meinem“ Training-Team sehr zufrieden war und mich nicht schon wieder in ein neues Team und deren Abläufe einarbeiten wollte.

Kongress WCEU

Der Kongress selbst war dann noch mal erheblich größer. Bei über 2700 Besuchern entstand bei der Registrierung am Morgen nur eine kleine Schlange. Auch sonst war der Ablauf recht reibungslos ohne größere Pannen. Neben den größten Sponsoren Google, WooCommerce und Jetpack gab es noch viele kleinere Sponsoren. Schön war, dass ich z.B. mit dem netten Team von Polylang über ein aktuelles Problem sprechen und lösen konnte. Auch hat mich erstaunt wie groß Yoast – das SEO-Plugin – hier aufgetreten ist. Vielen Dank an alle Sponsoren.

Bei den Veranstaltungen gab drei verschiedene Tracks mit Vorträgen, ein Cafe mit Themen und 3 Workshopbereiche. Daneben wurde auch die Kinderbetreuung mit WordPress-Kurs oder Yoga nicht vergessen. Die Themen gingen von sehr speziellen, techlastigen Themen wie Git-Tools des Team-Kollegen David und dem Entwickeln von Gutenberg-Blöcken über SEO, Preisgestaltung, Design für Non Profit Organistaion bis zu einen Ausblick wohin die Reise gehen wird. Es macht keinen Sinn meine Notizen zu bemühen – ein paar Vorträge gibt es auch auf WordPress TV. Jeder Talk wurde gefilmt, vielleicht kommt also noch mehr hinterher. Einen Vortrag darüber wie man Text für sein Blog schreibt fand ich gut und habe ich Euch hier noch im Video eingebunden.

Fernando Tellado: Copywriting tricks, techniques, and CTAs for bloggers and marketers

Für mich war es ein Erlebnis wie nett und hilfsbereit hier die WordPress-„Gemeinde“ zusammenstand. Alle hatten gute Laune und jeder war hilfsbereit, egal ob Kollege, Mitbewerber, Freelancer oder große Agentur. Nach dem Kongress bin ich auf dem aktuellen Stand der WordPress Entwicklungen und haben neue spannende Kontakte geknüpft.

Ausblick

Das nächste WCEU ist in Portugal und ich wäre gerne wieder dabei, Vielleicht klappt es ja? Vorher gibt es ein WordPress-Retreat in Soltau. Vielleicht ist da ja auch was für Euch dabei? Schreibt es gerne in die Kommentare, vielleicht sieht man sich ja dort.

Über mich

Ich bin Günther A. Biebl und gebe WordPress-Seminare und unterstütze Unternehmen dabei ihre WordPress Webseite zu erstellen und eigenständig zu publizieren. Bei Fragen einfach melden.